Der EU AI Act tritt ab 2. August 2025 in seine nächste Phase

Der EU AI Act nimmt General Purpose AI in die Pflicht – und Unternehmen gleich mit. Was Sie ab dem 2. August wissen sollten, um vorbereitet zu sein.
Hier erfahren Sie alles, was Sie über die neuen EU-AI-Act-Regelungen wissen müssen.
Die nächste Phase der KI-Regulierung beginnt
Während die ersten Bestimmungen des EU-KI-Gesetzes bereits seit Februar 2025 gelten, markiert der 2. August 2025 einen entscheidenden Wendepunkt in der europäischen KI-Regulierung. An diesem Tag treten umfassende Bestimmungen für General Purpose AI-Modelle (GPAI) in Kraft – jene mächtigen KI-Systeme, die die Grundlage für ChatGPT, Claude, Gemini und andere populäre KI-Anwendungen bilden.
Die Europäische Kommission hat bereits klargestellt: Es wird keine Verzögerungen geben.
Trotz Aufrufen der Industrie zu einer Pause bleibt der Zeitplan unverändert. Unternehmen müssen sich jetzt also tatsächlich vorbereiten.
Was passiert am 2. August 2025?
1. GPAI-Modelle unterliegen strengen Regelungen
Am 2. August werden Kapitel V des AI Act und die damit verbundenen Bestimmungen für General Purpose AI-Modelle vollständig wirksam. Dies betrifft sowohl die Anbieter dieser Modelle als auch deren nachgelagerte Nutzer.
2. Governance-Strukturen werden aktiviert
Das Europäische KI-Büro(AI Office) übernimmt die volle Aufsicht über GPAI-Modelle. Gleichzeitig müssen EU-Mitgliedstaaten ihre nationalen Aufsichtsbehörden benennen, die ab diesem Datum aktiv werden.
3. Sanktionen werden durchsetzbar
Während die Compliance-Pflichten bereits gelten, werden die Sanktionsmechanismen des AI Act erst ab dem 2. August vollständig anwendbar. Das bedeutet: Verstöße können dann auch tatsächlich bestraft werden.
GPAI-Modelle verstehen: Die Grundlage moderner KI
Was sind General Purpose AI-Modelle?
General Purpose AI (GPAI) Modelle sind laut EU-KI-Gesetz KI-Modelle, die
- erhebliche Allgemeingültigkeit aufweisen.
- kompetent eine breite Palette unterschiedlicher Aufgaben ausführen können.
- in verschiedene nachgelagerte Systeme oder Anwendungen integriert werden können.
- unabhängig von der Art der Markteinführung funktionieren.
Einfacher ausgedrückt: GPAI-Modelle sind die »Schweizer Taschenmesser« der KI-Welt – vielseitig einsetzbare Systeme, die für unzählige Anwendungen genutzt werden können.
Bekannte Beispiele für GPAI-Modelle
Die bekanntesten GPAI-Modelle stammen von großen Tech-Unternehmen.
Text-basierte Modelle
- OpenAI: GPT-4, ChatGPT
- Anthropic: Claude (verschiedene Versionen)
- Google: Gemini, PaLM
- Meta: Llama-Familie
- Mistral AI: Mistral-Modelle
Multimodale Modelle
- OpenAI: GPT-4V (mit Bilderkennung)
- Google: Gemini Ultra
- Anthropic: Claude 3 (mit Bildverständnis)
Spezialisierte GPAI-Modelle
- Stability AI: Stable Diffusion (Bildgenerierung)
- Runway: Gen-2 (Videogenerierung)
- Cohere: Command-Modelle
Die Unterscheidung: Anbieter vs. Nutzer
Wichtiger Hinweis:
Die meisten Unternehmen sind NICHT GPAI-Anbieter, sondern GPAI-Nutzer. Diese Unterscheidung ist entscheidend für die Compliance-Anforderungen!
GPAI-Anbieter sind
- Unternehmen, die eigene Grundmodelle entwickeln und bereitstellen.
- typischerweise große Tech-Konzerne mit erheblichen Ressourcen.
- weniger als 100 Unternehmen weltweit.
GPAI-Nutzer sind
- Unternehmen, die fertige KI-Tools in ihre Arbeitsabläufe integrieren.
- die überwiegende Mehrheit aller Unternehmen.
- alle, die ChatGPT, Claude, Copilot etc. verwenden.
Neue Pflichten für GPAI-Anbieter –
und grundlegende Verpflichtungen für alle GPAI-Anbieter
1. Technische Dokumentation
- Detaillierte Beschreibung des Trainings- und Testprozesses.
- Evaluationsergebnisse und Leistungsmetriken.
- Architektur und Modell-Spezifikationen.
2. Informationspflichten
- Bereitstellung von Nutzungsanleitungen für nachgelagerte Anbieter.
- Erläuterung von Fähigkeiten und Limitationen.
- Unterstützung für Compliance der Nutzer.
3. Urheberrechts-Compliance
- Einhaltung der EU-Urheberrechtsrichtlinie.
- Transparenz über verwendete Trainingsdaten.
- Respektierung von Urheberrechten.
4. Transparenz über Trainingsdaten
- Veröffentlichung einer detaillierten Zusammenfassung der Trainingsinhalte.
- Verwendung des von der Kommission bereitgestellten Templates.
- Regelmäßige Aktualisierung bei Modell-Updates.
Verschärfte Anforderungen für »systemische« GPAI-Modelle
Besonders leistungsstarke GPAI-Modelle, die »systemische Risiken« darstellen, unterliegen zusätzlichen Verpflichtungen.
Kriterien für systemische Risiken
- Rechenleistung über 10²⁵ Gleitkommaoperationen (FLOPs) beim Training.
- Modelle mit »hochwirksamen Fähigkeiten« (nach Einschätzung der Kommission).
- Weitreichende Nutzung mit potenziellem gesellschaftlichem Einfluss.
Zusätzliche Pflichten
- Modell-Evaluationen: Strukturierte Bewertung von Risiken und Fähigkeiten.
- Adversarial Testing: Gezielte Tests auf Schwachstellen und Missbrauchsmöglichkeiten.
- Incident Reporting: Meldung schwerwiegender Vorfälle an das AI Office.
- Cybersecurity: Angemessene Schutzmaßnahmen gegen Cyberangriffe.
- Risikomanagement: Kontinuierliche Bewertung und Minderung systemischer Risiken.
Code of Practice: Der Compliance-Leitfaden
Um GPAI-Anbietern bei der Umsetzung zu helfen, hat die Europäische Kommission einen Code of Practice entwickelt.
Dieser
- bietet konkrete Anleitungen zur Erfüllung der AI Act-Anforderungen.
- berücksichtigt internationale Ansätze und Best Practices.
- wird regelmäßig aktualisiert, um technologische Entwicklungen zu reflektieren.
- ist freiwillig, aber Abweichungen müssen begründet werden.
Alternative Compliance
Anbieter können auch eigene Methoden entwickeln, müssen diese aber der Kommission zur Genehmigung vorlegen.
KI-Kompetenz: Was »angemessene AI Literacy« wirklich bedeutet
Neben den GPAI-spezifischen Regelungen bleibt eine Verpflichtung bestehen, die bereits seit Februar 2025 gilt, aber oft missverstanden wird: die KI-Kompetenz-Pflicht nach Artikel 4 des AI Act.
Die rechtliche Definition
Das EU-KI-Gesetz definiert »KI-Kompetenz« als
»Fähigkeiten, Wissen und Verständnis, die es Anbietern, Einsetzern und betroffenen Personen ermöglichen, unter Berücksichtigung ihrer jeweiligen Rechte und Verpflichtungen im Kontext dieser Verordnung, eine informierte Nutzung von KI-Systemen zu gewährleisten sowie Bewusstsein über die Chancen und Risiken der KI und mögliche Schäden zu erlangen.«
Wer ist verpflichtet?
Alle Anbieter und Anwender von KI-Systemen müssen sicherstellen, dass ihre Mitarbeitenden und Auftragnehmer:innen, die mit KI-Systemen arbeiten, über ausreichende KI-Kompetenz verfügen.
Das betrifft praktisch jedes Unternehmen, das
- ChatGPT, Claude, Copilot oder ähnliche Tools nutzt.
- KI-gestützte Software einsetzt.
- Automatisierte Entscheidungssysteme verwendet.
- KI in Geschäftsprozessen integriert hat.
Die drei Kompetenz-Dimensionen
1. Wissen (Knowledge)
- Faktisches Verständnis über KI-Technologien
- Kenntnis der genutzten KI-Systeme
- Bewusstsein für Funktionsweise und Grenzen
2. Verständnis (Understanding)
- Comprehension der Zusammenhänge und Auswirkungen
- Fähigkeit zur kontextuellen Einordnung
- Erkennen von Risiken und Chancen
3. Fähigkeiten (Skills)
- Praktische Anwendungskompetenz
- Sichere und effektive Nutzung
- Kritische Bewertung von KI-Ausgaben
Kontextspezifische Anforderungen
Die erforderliche KI-Kompetenz hängt von mehreren Faktoren ab:
Rolle und Verantwortung
- HR-Mitarbeitende: Müssen Bias-Risiken bei KI-gestützter Personalauswahl verstehen.
- Marketing-Teams: Benötigen Kenntnisse über Urheberrecht bei KI-generierten Inhalten.
- Führungskräfte: Sollten strategische Implikationen und Governance-Aspekte kennen.
- IT-Personal: Braucht technisches Verständnis für Implementierung und Sicherheit.
Art der genutzten KI-Systeme
- Einfache Tools: Grundverständnis ausreichend.
- Hochrisiko-Systeme: Vertiefte Kenntnisse erforderlich.
- Kritische Anwendungen: Spezialisierte Schulungen notwendig.
Betroffene Personengruppen
- Systeme mit Auswirkungen auf Kundinnen und Kunden erfordern höhere Kompetenz.
- Interne Tools haben geringere Anforderungen.
- Öffentlich zugängliche Systeme brauchen besondere Sorgfalt.
Praktische Umsetzung der KI-Kompetenz
Was Unternehmen jetzt tun sollten:
1. Bestandsaufnahme
- Identifikation aller verwendeten KI-Systeme
- Mapping der betroffenen Mitarbeitenden und Rollen
- Bewertung des aktuellen Kompetenzstands
2. Bedarfsanalyse
- Ermittlung spezifischer Schulungsbedarfe
- Priorisierung nach Risiko und Verantwortung
- Definition von Lernzielen
3. Schulungsprogramm entwickeln
- Grundschulung für alle KI-Nutzenden
- Rollenspezifische Module je nach Funktion
- Regelmäßige Updates bei technologischen Entwicklungen
4. Dokumentation
- Nachweis aller Schulungsmaßnahmen
- Teilnahmebestätigungen und Kompetenznachweise
- Kontinuierliche Erfolgsmessung
Compliance ohne Überforderung
Die gute Nachricht: Das Gesetz verlangt verhältnismäßige Maßnahmen. Kleine Unternehmen, die nur einfache KI-Tools nutzen, müssen keine aufwendigen Trainingsprogramme entwickeln.
Empfohlener Mindeststandard
- Grundschulung für alle KI-User
- Aufbaumodule für spezielle Rollen
- Halbjährliche Updates zu neuen Entwicklungen
- Dokumentierte Richtlinien für den KI-Einsatz
Auswirkungen auf verschiedene Unternehmenstypen:
Für die meisten Unternehmen (KI-User)
Sofortige Maßnahmen erforderlich
- Implementierung von KI-Schulungen (seit Februar 2025 verpflichtend)
- Entwicklung interner KI-Nutzungsrichtlinien
- Dokumentation aller KI-bezogenen Aktivitäten
Mittelfristige Vorbereitung
- Beobachtung der GPAI-Entwicklungen
- Bewertung genutzter KI-Tools auf Compliance
- Vorbereitung auf weitere AI Act-Phasen (2026 / 2027)
Für Technologie-Unternehmen
Besondere Aufmerksamkeit erforderlich für
- Unternehmen, die KI-Funktionen in ihre Produkte integrieren
- Software-as-a-Service-Anbieter mit KI-Features
- Unternehmen, die eigene KI-Lösungen entwickeln
Mögliche Einstufung als GPAI-Anbieter bei
- Entwicklung von Foundation Models
- Bereitstellung von KI-APIs für Dritte
- Wesentlichen Modifikationen bestehender GPAI-Modelle
Für GPAI-Anbieter
Ab 2. August 2025 vollständig compliance-pflichtig
- Sofortige Implementierung aller GPAI-Anforderungen
- Registrierung bei den zuständigen Behörden
- Kontinuierliche Überwachung und Berichterstattung
Sanktionen und Durchsetzung / Strafrahmen des AI Act
Das EU-KI-Gesetz sieht gestaffelte Sanktionen vor:
Für verbotene AI-Praktiken
- Bis zu 35 Millionen € oder 7 % des weltweiten Jahresumsatzes.
Für GPAI-Verstöße
- Bis zu 15 Millionen € oder 3 % des weltweiten Jahresumsatzes.
Für andere Compliance-Verstöße
- Bis zu 7,5 Millionen € oder 1,5 % des weltweiten Jahresumsatzes.
Besonderheit bei KI-Kompetenz
Wichtige Klarstellung: Für Verstöße gegen die KI-Kompetenz-Pflicht (Artikel 4) sind keine direkten Bußgelder vorgesehen.
Jedoch können sich daraus andere Risiken ergeben:
- Zivilrechtliche Haftung bei Schäden durch ungeschulte Mitarbeitende
- Reputationsschäden bei behördlichen Untersuchungen
- Verschärfte Sanktionen bei anderen AI Act-Verstößen
Durchsetzung ab August 2025
Ab dem 2. August 2025 beginnt die aktive behördliche Durchsetzung, da zu diesem Zeitpunkt
- nationale Aufsichtsbehörden benannt sein müssen.
- sanktionsmechanismen vollständig anwendbar werden.
- das AI Office seine volle Aufsichtsfunktion übernimmt.
Fazit: Jetzt handeln, und nicht mehr abwarten!
Der 2. August 2025 markiert einen Wendepunkt in der globalen KI-Regulierung. Während sich die komplexesten Anforderungen an die großen GPAI-Anbieter richten, sind alle Unternehmen, die KI nutzen, von den Bestimmungen betroffen.
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